Sogar ein Sternekoch stand schon am Herd
Nicht nur ein Ma(h)l feiert: 20 Jahre diakonischer Mittagstisch
Es war im März 2003, als in St. Thomas ein Projekt startete, von dem damals wohl niemand dachte, dass es auch 20 Jahre danach noch „lebt“: Im Pfarrsaal – mit Blumenschmuck schön eingedeckt – wurden Griesnockerlsuppe, ein bunter Salat, Putengeschnetzeltes mit Spätzle und Himbeer-Tiramisu serviert. Das war der Start der Aktion “Nicht nur ein Ma(h)l!“. Und als der diakonische Mittagstisch zehn Jahr später erstmals eine Jubiläumsbilanz zog, konnte Gründerin und Projektleiterin Hannelore Weber beeindruckende Zahlen vorweisen: In zehn Jahren hatten sie und ihre vielen ehrenamtlichen Helfer – immer mittwochs außerhalb der Schulferien – an 360 Tagen gekocht und dabei insgesamt rund 25 000 Gäste bewirtet. Der damalige Pfarrer Martin Dorner witzelte: „Hier sind manchmal mehr Leute beim Essen als beim Gottesdienst.“ Auch prominente Köche waren schon bei „Nicht nur ein Ma(h)l“ zu Gast: 2011 beispielsweise schwang der Sternekoch Albert Oblinger in St. Thomas die Suppenkelle. Das Projekt wurde auch vielfach ausgezeichnet, zum Beispiel 2005 mit dem Innovationspreis der Evangelisch-Lutherischen Kirche, 2007 mit dem Seniorenpreis der Stadt Augsburg oder 2009 mit der „Silberdistel“ der Augsburger Allgemeinen.
Nun, im Jahre 20 von „Nicht nur ein Ma(h)l“, ist wieder einmal Gelegenheit, auf das Projekt zu blicken, das in der Augsburger Kirchenszene nach wie vor einzigartig ist, auch wenn über die Jahre auch Rückschläge zu verzeichnen waren. Das Ausscheiden von Hannelore Weber und vieler ihrer Mitarbeitenden im Jahr 2018 markiert eines dieser Ereignisse, die Corona-Pandemie mit den Lockdowns von März bis Mai 2020 und Januar bis Mai 2021 brachte das Projekt an den Rand des Scheiterns. „Aber wir haben uns wieder aufgerappelt“, sagt der heutige Projektleiter Dieter Mitulla, der seit 2017 den Kochlöffel in St. Thomas schwingt: „Natürlich hatten in der Pandemiezeit einige Mitarbeitende aufgehört. Wir werden ja alle nicht jünger, und unser Durchschnittsalter liegt schon deutlich über der Rentenmarke.“ Mitulla konnte aber zumindest ein komplettes Kochteam bilden – und er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, mit neuen Mitarbeitenden vielleicht auch noch ein zweites bilden zu können. Dann könnte „Nicht nur ein Ma(h)l“, das jetzt einmal pro Monat stattfindet, im 14-Tage-Rhythmus für kulinarische Genüsse, angeregte Gespräche und das Gefühl von Gemeinschaft bei den Gästen sorgen.
Dass der diakonische Mittagstisch wieder wöchentlich stattfinden wird, glaubt Mitulla nicht: „Da muss man realistisch sein. Die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement ist tatsächlich gesunken.“ Und dann ist das Kochen für so viele Menschen auch ein Knochenjob.
Für den Projektleiter bedeutet jedes Menü etwa drei Tage Arbeit. Das beginnt am Montag, wenn er im Internet die Angebote der Großmärkte und Lieferanten studiert und nachsieht, welche Waren aktuell günstig zu bekommen sind. Wobei Mitulla in der Küche keine Billigprodukte haben will: „Meine Devise lautet ,regional und saisonal’. Auf Fertigprodukte greife ich nur dann zurück, wenn es gar nicht anders geht.“ So reichten etwa Zeit und Kühlkapazität nicht, groß Fonds einzukochen oder Nudeln selbst zu machen. Da muss man dann zukaufen. Aber seine Suppen und Saucen produziert Mitulla selbst: „Wenn auf der Speisekarte Hühnersuppe steht, dann ist die frisch aus Suppenhühnern gemacht. Und meine Saucen ziehe ich auch selbst.“
Aus den Angeboten entsteht dann ein Menüentwurf und der Einkaufszettel.
Der kommt am Dienstag zum Einsatz. Wobei die Zutaten für die Speisen nicht nur aus dem Großmarkt kommen: „Ich kaufe auch mal im Schlachthof ein oder direkt beim Produzenten.“ Die Ware für das Spargelmenü beispielsweise wird direkt in Inchenhofen abgeholt: „Der Spargelhof Lohner macht uns immer einen sensationellen Preis, weil „Nicht nur ein Ma(h)l“ halt eine kirchliche Veranstaltung ist.“ Wenn alle Waren in der Speisekammer im Pfarrzentrum eingelagert sind, kommen noch die Endarbeiten: Die Speisekarte wird geschrieben und ans Pfarrbüro gemailt, damit sie für die Tische ausgedruckt werden kann. Und sie wird auf der Facebookseite veröffentlicht, damit die Gäste wissen, was sie erwartet. Zum Schluss entsteht die „Miss-en-place-Liste“, auf der genau geplant ist, welche Waren in welcher Reihenfolge und welchen Schnittgrößen in die Küche gehen. Auch welche Speise auf welchem Geschirr serviert wird, steht auf dieser Liste.
Höhepunkt der Kochwoche ist dann der Mittwoch. Ab etwa 8 Uhr steht Mitulla in der Küche und verteilt im Vorbereitungsraum die Waren an den Arbeitsstationen. Die im Schnitt zehn Mitarbeitenden sind ab 9 Uhr an Bord, und dann wird der Saal dekoriert, die Tische gedeckt und geschnippelt, was das Zeug hält. In der Küche wird derweil schon Komponente um Komponente portioniert, gewürzt, eventuell zwischengelagert: „Die Thomasküche ist zwar winzig, aber supergut ausgerüstet“, sagt Mitulla: „Man könnte damit auch ein kleines Restaurant bespielen.“
Wenn ab 12 Uhr die ersten Gäste kommen, wird es nochmal kurz hektisch in der Küche. Jetzt muss alles schnell gehen, damit die Speisen warm im Saal ankommen. Gegen 14 Uhr sind dann die Gerichte vertilgt, die Mitarbeitenden machen sich an die „Aufräumungsarbeiten“. Außerdem essen sie gemeinsam, was sie produziert haben. Das ist auch Gelegenheit für eine kurze Manöverkritik am Tisch – bevor Küche und Saal aufgeräumt und geputzt werden. Die Kochtage enden oft erst gegen 17 Uhr.
Am Mittwoch, 13. März 2024, soll nun das Jubiläum mit einem Festmenü begangen werden. Wie immer kostet die Teilnahme nur einen Euro, wobei freiwillig gerne mehr gegeben werden darf. Kinder unter 18 Jahren essen kostenlos. Für das Festmenü bitten die Mitarbeitenden von „Nicht nur ein Ma(h)l“ diesmal jedoch ausnahmsweise um eine Anmeldung. Listen dafür liegen ab sofort beim Mittagstisch an der Kasse und ständig im Pfarrbüro aus.
Gemeinsam statt einsam
Die evang.-luth. Kirchengemeinde St.Thomas in Augsburg-Kriegshaber bietet seit März 2004 einen offenen Mittagstisch für Jeden an. Die Gemeinde setzt damit einen diakonischen Schwerpunkt in ihrer Arbeit und hilft, die Bemühungen im Stadtteil um soziale Gerechtigkeit zu stärken. Wir ermöglichen in St.Thomas Gemeinschaft: Die Liebe Gottes zu uns Menschen geht jetzt buchstäblich durch den Magen.
Jesus wurde beim Brotbrechen und bei Tisch als der Christus erkannt. Die Vision unserer Kirchengemeinde St.Thomas ist, zeitgemäß in der Tradition der Tischgemeinschaft Jesu Menschen zueinander zu führen. Unterschiedliche Milieus finden hier zusammen, Arme und Reiche, Christen und Suchende, Kinder und Erwachsene treffen sich. Herr Pfarrer Tiggemann isst mit und ist als Seelsorger für diejenigen da, die “mehr als Brot” brauchen.
Die Offenheit von Jesu Mahlfeiern war Ansporn, “Nicht nur ein Ma(h)l!” zu keinem neuen, zusätzlichen und festen Kreis in der Gemeinde werden zu lassen. Deswegen gibt es bei den wöchentlichen Mahlzeiten keine Stammplätze, keine Platzreservierungen, keine Anmeldung.
Wichtig ist uns, dass Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr auf Kosten der Gemeinde essen. Seit 1. Januar 2015 bezahlen alle Gäste nur noch 1,00 Euro. Uns kostet das 3 Gänge Menü 5,00 Euro. Wir freuen uns über alle, die mehr bezahlen können und über jede Spende.
“Nicht nur ein Ma(h)l!” ist auf diese Weise ein offener Mittagstisch für 60-80 Personen geworden. Ehrenamtliche bieten ein köstliches Drei-Gänge-Menü. Der Mittwoch ist der feste Tag für “Nicht nur ein Ma(h)l!”; dadurch finden einsame Menschen im Gleichmaß ihrer Tage wieder zu einer festen Struktur.
Schauen Sie einmal bei uns vorbei – Herzlich Willkommen!